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Stadtbuch Jugendkriminalität


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Kölner Stadtbuch Jugendkriminalität
Klaus Jünschke / Ugur Tekin (Hrsg):
Gegen die Kriminalisierung von Jugendlichen.
Köln 1997.
12 EUR incl. Versand

Dieses Buch, seine Entstehungsgeschichte und die mit dieser Publikation verknüpften Perspektiven verdienen besondere Aufmerksamkeit. Es ist, soweit ich es überblicke, die erste Veröffentlichung eines Handbuches, in dem neben allgemeinen Informationen zu Rechten von Kindern und Jugendlichen, Erläuterungen über Jugendkriminalität und das Sanktionensystem des JGG sowie die besondere Lage von straffällig gewordenen ausländischen Jugendlichen konkrete Hinweise auf Straf- und Straffälligenhilfeeinrichtungen in einer deutschen Großstadt enthalten sind.

Bei der Lektüre fällt immer wieder auf, daß an diesem Buch Menschen mitgewirkt haben, die sehr nah an den Problemen von Jugendlichen und ihrer Kriminalität arbeiten und über wichtige Kompetenzen und Erfahrungen im alltäglichen Umgang mit dieser Klientel verfügen. Zu den Mitarbeitern gehören nicht nur GefängnisseelsorgerInnen, Bewährungs- oder JugendgerichtshelferInnen, SozialarbeiterInnen, sondern auch Mitglieder des Vereins “Kölner Appell gegen Rassismus” - unter ihnen die Herausgeber -, die seit 1993 in einer Gesprächsrunde in der Jugendabteilung der JVA Köln-Ossendorf das Thema Rassismus mit jungen Gefangenen diskutieren. Über diese regelmäßigen Treffen mit zumeist Jugendlichen und Heranwachsenden ohne deutschen Paß, die ca. 75% aller jungen U-Häftlinge ausmachen, erhielten sie einen tiefer gehenden Einblick in die besondere Problemlage von nicht-deutschen Häftlingen. Die bedrückenden Erlebnisse in der U-Haft und die in jener Zeit zu beobachtende Ethnisierung von Kriminalität in der Öffentlichkeit veranlasste schließlich die Gruppe, 1995 ein Projekt zur Haftvermeidung zu initiieren. Gleichzeitig wurde von den Initiatoren eine “Arbeitsgemeinschaft gegen die Kriminalisierung von MigrantInnen und Flüchtlingen” gegründet. Beides bildete die Basis für die nun vorliegende Publikation.

Das Buch ist in vier Abschnitte aufgeteilt. Im ersten Teil werden unter der Überschrift “Kinder und Jugendliche haben Rechte” neben den wichtigsten Vorschriften der UN-Kinderkonvention die öffentlichen und freien Träger der Kölner Jugendhilfe mit ihren Leistungsangeboten vorgestellt. Daran schließen sich vier Aufsätze zu dem Thema “Doppelbestrafung ausländischer Jugendlicher” an, die sehr informativ die allgemeine Situation von nicht-deutschen inhaftierten Jugendlichen und Heranwachsenden sowie ihrer Probleme bei der Ausweisung und Abschiebung beleuchten. In diesem Zusammenhang beeindruckt ganz besonders die Dokumentation derartiger ausländerrechtlichen Maßnahmen, die der Gefängnisseelsorger Eberhard Bornemann aufgrund seiner Arbeit in der Jugendstrafanstalt Siegburg angelegt hat. Es handelt sich um eindrückliche Schilderungen von Einzelschicksalen, die junge Ausländer betreffen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und nach ihrem Gefängnisaufenthalt in “Heimatländer verbannt” werden, die sie gerade mal aus Urlauben kennen.

Der dritte Teil, gleichzeitig der inhaltliche Schwerpunkt, beschreibt den “Weg ins Gefängnis”. Nach - verständlich formulierten - theoretischen Ausführungen über Jugendkriminalität werden im einzelnen alle mit der Strafverfolgung befassten Einrichtungen und Berufsgruppen, wie Polizei, RechtsanwältInnen, Jugendgerichtshilfe, Träger der Straffälligenhilfe, Jugendgericht, Jugendarrest, Vollzugsanstalten etc. in Köln vorgestellt.

Dies geschieht nicht allein in der Form eines Ratgebers mit der bloßen Veröffentlichung von Namen, Adressen und Telefonnummern, sondern der Leser wird gleichzeitig über geschichtliche Hintergründe, gesetzliche Aufgabenstellung und Arbeitsweise dieser Institutionen kritisch informiert. Da lässt sich z.B. die wechselvolle Geschichte des Kölner Klingelpützes (des traditionsreichen, mit vielen Anekdoten verbundenen Stadtgefängnisses) mit Spannung und Schmunzeln nach verfolgen.

Den Abschluss bildet das Kapitel “Alternativen”, in dessen Mittelpunkt als ein Beispiel für Jugendhilfe als Gegenstrategie zu Kriminalisierung und Ausgrenzung die offene Jugendarbeit in Köln dargestellt wird.

Auf gut 400 Seiten ist es den Autoren gelungen, ein gerade auch für Nichtjuristen lesbares Hand- und Stadtbuch vorzulegen, das lückenlos das Thema Jugendkriminalität sowie Straffälligenhilfe und -verfolgung in Köln in den unterschiedlichsten Facetten beschreibt. Das und wie sich die Autoren offen, engagiert und kritisch mit dem gegenwärtigen Kriminalisierungssystem auseinandersetzen, ist geradezu wohltuend angesichts der hartnäckigen Versuche konservativer Politiker, weitere gesetzliche Verschärfungen des Ausländer- und Jugendkriminalrechts durchzusetzen.

Dass man in dieser öffentlichen Debatte nicht nur als Verteidiger des Status quo verharren muss, sondern auch in realistischer Einschätzung eigener Möglichkeiten offensiv Wege gegen den kriminalpolitischen Trend beschreiten kann, erfährt der Leser auf dem Buchrücken: “Zur Zeit gibt es keine Chance, im Bundestag eine Mehrheit für die Abschaffung der Abschiebung von straffällig gewordenen Menschen zu finden, die in der Bundesrepublik ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Damit sie wenigstens verteidigt werden können, wenn ihnen die Abschiebung droht, geht der Erlös vom Verkauf dieses Buches an den Verein Kölner Rechtshilfe gegen Abschiebung von Gefangenen Körnerstr. 77-79, 50823 Köln. Dieses Buch verdient viele Leser und - ebenso wie die vorgestellten Projekte - Nachahmer in anderen Städten.

Prof. Dr. jur. Klaus Riekenbrauk
Hochschullehrer an der Fachhochschule Düsseldorf
(aus DVJJ-Journal 4/1997. Das DVJJ-Journal ist die Vierteljahreszeitschrift der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe)

Sie können gerne das Buch in unserem Büro bestellen:
Kölner Appell e.V.
Körner Str. 77-79
50823 Köln
E-mail: koelner.appell@t-online.de